Die großen Städte und die Kommunen in ihrer Nachbarschaft sind aufeinander angewiesen und können die zahlreichen Zukunftsaufgaben nur gemeinsam bearbeiten und lösen. Denn die Verflechtungen im Bereich der Siedlungsentwicklung, der wirtschaftlichen Entwicklung, des Verkehrs, der Erholung und der sonstigen öffentlichen Daseinsvorsorge sind so vielfältig, dass ein unkoordiniertes Neben- oder gar Gegeneinander von Städten, Gemeinden und Landkreisen nicht zu verantworten wäre. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Verflechtungen weiter intensiviert und die Nutzungskonflikte verschärft. Gleichzeitig sind die Rahmenbedingungen für das kommunale Handeln durch die Lage der öffentlichen Haushalte, den demografischen Wandel und den globalen Standortwettbewerb komplexer geworden.
Die Erkenntnis, dass gerade in den Ballungsräumen überkommunale bzw. die gesamte Stadtregion umfassende Handlungsansätze notwendig sind, ist nicht neu. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden institutionalisierte regionale Lösungen erprobt, wie das Beispiel des 1911 gegründeten Verbandes Groß-Berlin zeigt, der auch unter schwierigsten Bedingungen wesentliche Erfolge bei der Vereinheitli chung des Nahverkehrs, der Sicherung von Erholungsflächen und der Beeinflussung der Siedlungsentwicklung erzielen konnte. Während dem Berliner Verband durch die regionsspezifischen Umstände nur eine kurze Wirkungszeit vergönnt war, blickt der 1920 als „Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk“ gebildete Regionalverband Ruhr auf ein fast hundertjähriges Wirken zurück. Auch die meisten der anderen bestehenden Regionalverbände in den Ballungsräumen, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurden, können mehrere Jahrzehnte erfolgreichen Wirkens vorweisen, wobei Aufgaben, Rechtskonstruktion und Entwicklung der Verbände jeweils sehr individuell sind.
Seit gut fünf Jahrzehnten besteht eine institutionalisierte und schrittweise intensivierte regionale Zusammenarbeit im Großraum Hannover. Auf der Basis langjähriger Vorarbeiten und Erfahrungen eines regionalen Verbandes insbesondere bei der Regionalplanung, beim ÖPNV, bei der Wirtschaftsförderung und bei der Naherholung konnte im Jahr 2001 auf kommunale Initiative die gebietskörperschaftlich verfasste Region Hannover mit einem umfassenden stadt-regionalen Aufgabenportfolio gegründet werden. Dabei konnten auch Erfahrungen genutzt werden, die mit einer ähnlichen Organisationsform seit 1974 durch den Regionalverband Saarbrücken und seinen Rechtsvorgänger gesammelt wurden. Seit 2009 besteht auch für das Gebiet der Stadt Aachen und ihrer neun Nachbarkommunen mit der StädteRegion Aachen eine leistungsfähige stadtregionale Gebietskörperschaft, die auf Initiative kommunaler Praktiker entstanden ist.
Nicht selten hatten die Verbände denkbar schwierige politisch-administrative Hürden zu überwinden. Dies gilt insbesondere dort, wo der stadtregionale Verflechtungsraum auf mehrere Bundesländer übergreift. Dass auch und gerade hier ein stadtregionaler Verband integrativ und aktivierend wirken kann, zeigt seit 2006 der Verband Region Rhein-Neckar, der den 1970 konstituierten Raumordnungsverband Rhein-Neckar abgelöst hat. Innovativ ist hier auch die Verzahnung des Verbandes mit der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH, in der u. a. auch Akteure der Wirtschaft mitwirken. Einen etwas anderen Weg haben die kommunalen Akteure in der ebenfalls durch eine Landesgrenze zerschnittenen Stadtregion Bremen beschritten. Hier wurde 1991 der Kommunalverbund Bremen-Niedersachsen in der Rechtsform des eingetragenen Vereins gebildet, der heute Plattform vielfältiger gemeinsamer Aktivitäten ist.
Auch andere Entwicklungen nach 1990 zeigen, dass die Notwendigkeit stadtregionaler Planungs- und Handlungsansätze auf immer breiterer Ebene erkannt wird. Neben der Gründung des Zweckverbandes Großraum Braunschweig im Jahr 1991 und der Stärkung des Zweckverbandes Raum Kassel wurden in den meisten Verdichtungsräumen der neuen Bundesländer kommunal verfasste Regionalverbände mit der Aufgabe der Regionalplanung betraut, was beispielhaft die Verbände in den Regionen Chemnitz, Dresden (Oberes Elbtal/ Osterzgebirge) und Leipzig-Westsachsen zeigen. Das in den 1990er Jahren wohl deutschlandweit stärkste Signal für den hohen Stellenwert stadtregionaler Organisationsstrukturen dürfte 1994 von einem der wirtschaftlich bedeutendsten deutschen Ballungsräume, der Region Stuttgart, ausgegangen sein. Die bewusst kraftvolle Positionierung des Verbandes Region Stuttgart durch die baden-württembergische Landesregierung mit einer direkt gewählten Regionalversammlung sorgte bundesweit für Aufmerksamkeit und spornte auch andere Regionen an, ihre organisatorischen Strukturen zu stärken.
Wie schon die genannten Beispiele zeigen, werden in den einzelnen Ballungsräumen sehr unterschiedliche Ansätze der regionalen Kooperation und Organisation praktiziert. Auch die Aufgaben und die Planungsinstrumente zeigen eine erhebliche Bandbreite. Während die regionalen Verbände in den Räumen um Freiburg (Südlicher Oberrhein) und Nürnberg - wie die meisten anderen Regionen - das Instrument des Regionalplans für die Gestaltung der regionalen Zukunft nutzen und die Regionen Kassel und Saarbrücken jeweils einen gemeinsamen Flächennutzungsplan aufstellen, wurde in der Region FrankfurtRheinMain der deutschlandweit beachtete Regionale Flächennutzungsplan in Kraft gesetzt. Eine etwas andere Struktur besteht in der Region München, wo bereits seit 1950 ein Planungsverband als Dienstleister seiner Kommunen Planungs- und Beratungsleistungen erbringt und seit 1973 gleichzeitig die Geschäftsstelle der Regionalplanung betreut.
So individuell und maßgeschneidert die jeweiligen Organisationsformen sind, so breit ist der Konsens der Verbände bei den grundsätzlichen Zielstellungen. Ganz oben steht dabei die Sicherung der Funktionsfähigkeit dieser Wirtschaftsräume durch eine vorausschauende, möglichst verbindliche regionale Planung und die Arbeit an deren Implementierung. Diese gemeinsame Interessenlage und Verantwortung verbindet. Deswegen arbeiten die Regionalverbände seit langem in der „Arbeitsgemeinschaft der Regionalverbände in Ballungsräumen“ zusammen und werden hierbei von den drei kommunalen Spitzenverbänden unterstützt, die gemeinsam den Deutschen Städtetag mit ihrer Vertretung in der Arbeitsgemeinschaft beauftragt haben. Mit der vorliegenden Broschüre sollen die Vielfalt des Leistungsspektrums der Regionalverbände und die Kreativität bei der Bewältigung der stadtregionalen Herausforderungen dokumentiert werden. Gleichzeitig soll der interessierten Öffentlichkeit auch die Möglichkeit gegeben werden, inhaltliche und organisatorische Ansätze vergleichend zu betrachten. Nicht zuletzt verbindet sich mit der Herausgabe dieser Broschüre aber auch die Hoffnung, dass die maßgeblichen Akteure aus Gesellschaft, Politik und Verwaltung in den einzelnen Stadtregionen aus den Erfahrungen Anderer wertvolle Anregungen für die eigene Region bzw. die eigene Arbeit schöpfen können, wodurch die Organisationsstrukturen, die Bewältigung der stadtregionalen Herausforderungen und die politische Gestaltungskraft in den Ballungsräumen weiter optimiert werden können.
Die Konzeption der Broschüre und die Erstellung der Texte ist ein Gemeinschaftswerk der in der Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Verbände. In der Redaktionsgruppe haben Vertreter aus den Regionen Hannover, München und Ruhr mitgewirkt. Eine Veröffentlichung der Broschüre wäre aber nicht möglich gewesen ohne die dankenswerte Bereitschaft des Regionalverbandes Ruhr, erneut die Produktion der Broschüre einschließlich der Gestaltung und des Drucks zu übernehmen. Allen Mitwirkenden möchte ich herzlich für das Engagement an diesem gemeinsamen Projekt danken und wünsche der Broschüre weite Verbreitung und positive Resonanz.
Hannover, im August 2015
Prof. Dr. Axel Priebs
Erster Regionsrat der Region
Hannover und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Regionalverbände in
Ballungsräumen